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Helmut Roschlau

Dieser Artikel ist 2012 in der „Festschrift 850 Jahre Heubisch“ erschienen.

Grenztor
Grenztor zur Bergmühle

Es wird wohl einer der bedeutendsten Tage in der Geschichte der kleinen Gemeinde Heubisch im Landkreis Sonneberg sein, dieser Sonnabend, der 25. November 1989.

Im Zuge der Grenzöffnung wurde bekannt, dass auch kleinere Orte Öffnungsstellen, meistens Fuß- oder Fahrradwege, erhielten. Demonstrationen führten dabei zum Erfolg. In der Zeitung wurde auch hierüber berichtet und so wurde unter den Einwohnern immer stärker die Forderung laut, den ehemaligen Weg zur Bergmühle und die Straße nach Neustadt zu öffnen. Der Bürgermeister wurde arg bedrängt mit dem Auftrag, hier etwas zu unternehmen.

Ein entsprechender Antrag an die Regierung in Berlin war bereits gestellt, jedoch so lange hatten die Leute keine Geduld mehr.

Schließlich hatte es sich im Dorf herumgesprochen: Am Sonnabend, 13:30 Uhr große Demonstration wegen Öffnung der Neustädter Straße. Treffpunkt: Tor Richtung Neustadt. Initiatoren waren besonders die Frauen im Ort und auch Schüler der oberen Klassen, die auch Transparente malten.

Der Bürgermeister machte sich auf den Weg nach Oerlsdorf, um den Chef der Grenzkompanie zu informieren.

Dann rückte die besagte Stunde heran und es standen sich Offiziere der Grenztruppe auf der einen Seite und Einwohner des Ortes samt Bürgermeister auf der anderen Seite gegenüber.

Zunächst wollten die Grenzer beschwichtigen, es müsse erst ein offizieller Antrag an die Regierung in Berlin gestellt werden, um einen Grenzübergang einzurichten. Aber für diesen Fall hatte der Bürgermeister bereits vorgesorgt: Der Antrag wurde bereits vor einigen Tagen nach Berlin abgesandt und wurde im Wortlaut vorgelesen.

Nun formierten sich Sprechchöre und forderten: Aufmachen! Alles war jedoch gewaltlos, die Offiziere standen mitten unter den Demonstranten und mussten schließlich der Forderung nachgeben, einen höheren Offizier des Grenzregimentes herbeizurufen.

Inzwischen bewegte sich der Zug der Demonstranten kurzzeitig auch zum Tor an der Bergmühle und ein Musikant spielte auf dem Akkordeon: „So ein Tag, so wunderschön wie heute !“ Alle sangen mit und ein Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes, der über der Bergmühle stand, beobachtete die Szene.

Nachdem der übergeordnete Offizier erschienen war und dieser noch einige Telefonate führte, wurde entschieden, den Übergang nach Neustadt für kurze Zeit zu öffnen, und zwar heute von 16:15 bis 20:00 Uhr.

Bis dahin war es noch eine knappe Stunde. Mit großem Hallo ging man schnell nach Hause, zog sich um und steckte ein paar Mark vom Begrüßungsgeld ein. Pünktlich zur genannten Öffnungszeit fanden sich über 100 Leute ein, die sich am Fußmarsch nach Neustadt beteiligen wollten, darunter auch Kinder, Omas und Opas.

Wachturm
Wachturm

Um keine Unruhe aufkommen zu lassen, teilte ein Grenzer mit, dass alles soweit vorbereitet sei, jedoch der Sperrgraben ein Erschwernis für die älteren Leute darstellte.

Er bat darum, 3 Personen auszuwählen, die selbst über die Zumutbarkeit des Überschreitens befinden sollen. Wie sich zeigte, konnte auch dieses letzte Problem gelöst werden.

Das Tor wurde geöffnet und ein Zug von 100m Länge bewegte sich nach Neustadt.

Nach Durchschlüpfen durch das Loch im Zaun erfolgte eine improvisierte Begrüßung durch den Bundesgrenzschutz und den Oberbürgermeister von Neustadt.

Auch für die westliche Seite war dieser „Marsch der Heubischer nach Neustadt“ eine völlige Überraschung, lediglich vom Hubschrauber aus konnte man beobachten, dass sich etwas zusammenbraut.

In Neustadt verteilten sich die abendlichen Gäste aus Heubisch auf verschiedene Gaststätten, gingen schnell einmal durch die abendliche Stadt oder suchten Verwandte und Bekannte auf.

Grenze an der Bergmühle
Grenze an der Bergmühle

Pünktlich zur verabredeten Zeit wurde der Rückweg angetreten und wieder durch das „Loch im Zaun“ geschlüpft. Die Unwegsamkeit des Grenzüberganges war kein Problem mehr, denn der Bundesgrenzschutz hat in der Zwischenzeit für taghelle Notbeleuchtung gesorgt.

Alle erreichten unbeschadet wieder das nahe liegende Heubisch, noch voller Aufregung, jedoch um ein wahrhaft geschichtsträchtiges Erlebnis bereichert.

Es bleibt nur noch nachzutragen, dass die offizielle Eröffnung des Grenzüberganges drei Wochen später mit einem großen Fest gemeinsam mit den Neustädtern und vielen anderen Gästen aus Nah und Fern in froher Stimmung bei Musik und Tanz feierten.

Mit dem Lied „So ein Tag, so wunderschön wie heute“, das 100 Kehlen an der Grenze gesungen haben, um die Grenzöffnung auf gewaltloser Weise zu erzwingen, klang dieser einzigartige Festtag aus.

Helmut Roschlau
Helmut Roschlau